Mein Gefährte: das Geviert

RED-IO – das smarte RedaktionssystemOh je, sind wir jetzt im Mittelalter? Gar nicht so falsch! Etwa 500 Jahre zurück wurde es nämlich erfunden. Das Geviert, welches uns in InDesign quasi als Gefährte zur Seite steht. Schaut man einmal im Schrift Menü etwas weiter runter auf Leerräume, dann zeigt es sich. Hier gibt es nämlich kaum einen Eintrag, der das Geviert nicht im Namen trägt. Die hier dargestellte Zeichnung ist rein fiktiv. Ein F stünde als Bleibuchstaabe niemals so auf dem Geviert. Der Block symbolisiert das Geviert. und der Buchstabe F steht dafür, wie sich ein Buchstabe zum Geviert verhält. Also, wie er sich zur Höhe z.B. des Kegels verhält. Was ein Kegel ist, findet man weiter unten.

Wofür ist das Geviert denn da?
Und wie vor allem wende ich es hilfreich bei der Arbeit an?
Zunächst einmal ist das Geviert die Grundlage für die Vermaßung der Breite einer Schrift. Genauer gesagt, deren Zeichen (auch genannt Glyphen). Jede Glyphe hat da so seine eigene Breite. Im Fachjargon heißt das Dickte. Das J ist schmaler als das H aber breiter als das I. Die Zeichen nebeneinander gestellt, erwecken, fein säuberlich, mit gleichem Abstand, den Eindruck, dass sie Worte ergeben.

Aber woran orientiert sich das?

Dafür benötige ich eine Maßeinheit, auf die sich die Dickte eines jeden Glyphen bezieht.
Die Einheit Punkt (hier DTP-Punkt = 0,35278 mm) Ist leider schon für die Höhe der Schrift (Schriftgröße) vergeben. Es muss ja aber auch etwas sein, was sich aus dieser Höhe ableitet und mit ihr zusammen wächst oder schrumpft, je nachdem, wie die Schriftgröße sich ändert. Die Höhe einer Schrift ist nun aber nicht die Höhe eines Großbuchstaben (Versalie) sondern der Kegel. Was ist das nun wieder?

Der Kegel

Der Kegel stammt aus der Zeit, in der der Text noch mit Bleibuchstaben gesetzt wurde. Da der Buchstabe eben Körperlich und nicht digital war, mussten alle Bestandteile eines Zeichens auf dem Kegel Platz haben. Somit ergibt er sich aus der Versalhöhe plus Unterlängen wie beim kleinen g, plus diakritische Zeichen, also alles das, was über dem Buchstaben steht wie Tilde, Trema (ä) und Akzente, plus einem kleinen Freiraum (sog. Fleisch), der verhindert, dass beim Aufeinander setzen der Kegel, die Glyphen sich berühren.

Wie vor 500 Jahren

Im Programm werden die Glyphen also noch genauso behandelt wie bei Gutenberg vor etwa 500 Jahren. Dieser Kegel entspricht auch der Schriftgröße, die wir im Programm eingeben. 12 Pt beschreibt also nicht die Höhe eines Großbuchstaben, sondern eben die des Kegels. 12 Pt = 4,23 mm. Der Versalbuchstabe misst aber nur rund 72% davon. Also etwa 3 mm. Das Etwa steht hier deshalb, weil jede Schrift ihre eigene Versalhöhe hat. Die Minion hat nämlich eine kleinere Versalhöhe als z.B. die Myriad. Warum genau das so ist, lieber ein andermal.

Es gibt aber eine Faustregel für die Bestimmung der Versalhöhe. Sie lautet: Schriftgröße in Punkt, geteilt durch vier. Das ergibt dann etwa die Versalhöhe in Millimeter [SG/4=VH mm]. Bei der Helvetica kann man sich darauf verlassen. Sie hat nämlich einen so genannten 100%-Schnitt.

Aber sollte es hier nicht um die Breite gehen?

Also gut, man nehme also diesen Kegel und setzt die Breite genauso groß wie die Höhe. Dann erhält man ein Quadrat. Dort sind bekanntlich alle vier Seiten gleich also ein GeVIERt. Teilt man die Breite jetzt in ganz viele kleine Einheiten ein (InDesign nimmt dafür 1000), kann man jedem Buchstaben seine Anzahl an Einheiten zum Geviert, entsprechend seiner Breite, (Dickte) zuweisen. Ablesen kann man das übrigens bei den Voreinstellungen von InDesign unten rechts im Abschnitt Einheiten und Einteilungen bei dem Wert für Kernig/Laufweite. Dahinter steht nämlich /1000 Geviert. Das große N entspricht zum Beispiel etwa einem Halbgeviert, also 500 Einheiten. Der Kurzbefehl in InDesign für das Halbgeviert ist deshalb auch cmd-Shift-N. Ähnliches gilt für den Buchstaben M. Dieser entspricht etwa einem ganzen Geviert und der Kurzbefehl dafür lautet cmd-Shift-M.

Ziffern

Ziffern haben auch eine festgelegte Breite, damit sie in einer Tabelle gleichmäßig untereinander stehen können: Das Halbgeviert. Möchte man allerdings die Ziffern entsprechend ihrer eigentlichen Breite zueinander z.B. im laufenden Text ausgleichen, dann stellt man in InDesign die Zeicheneinstellung bei Kerning (im Gegensatz zum Einsatz in Tabellen) auf optisch und nicht auf metrisch. Dann wird z.B. die 1 schmaler als die übrigen Ziffern gesetzt.

FreischlagenRED-IO – das smarte Redaktionssystem

Einen Begriff, den man in diesem Zusammenhang noch erwähnen sollte ist das sog. Freischlagen. Mit Prügelei hat das GsD wenig zu tun. Es beschreibt das Ersetzen einer Ziffer (oder einer anderen Glyphe) wenn man die Breite einer Ziffer braucht aber keine Ziffer dort stehen haben will. 
Beispiel: Es stehen mehrere Ziffern, 1–5 stellig linksbündig untereinander. Es sollen jedoch die Einer, Zehner, Hunderter usw. immer untereinander stehen. Nun hat auch noch die 1.000der Stelle einen Punkt. Hier kann man folgendermaßen vorgehen: Zunächst sollte man die Einstellung beim Kerning prüfen, ob die auf Metrisch und nicht auf Optisch steht. Dann fügt man links vor der Zahl, die weniger als 5 Stellen hat, ein Halbgeviert oder, noch besser, ein auf die Schrift angepasstes Ziffernleerzeichen ein. Das schiebt die Zahl um eine Ziffer jeweils nach rechts und sie bleibt bündig mit den übrigen Ziffern. Den 1.000er Punkt schlägt man dann mithilfe des Interpunktionsleerzeichens frei. Somit bleiben alle Punkte und Ziffern untereinander. 

Mehr zu Ziffern im Post: Was zählt die Ziffer einer Zahl?

 

Mathematisch gesehen

Man könnte jetzt sogar die Breite einer Ziffer berechnen, indem man die Schriftgröße in Punkt x 0,35278 / 2 rechnet. Bei 12 Pt wären das rd. 2,12 mm. Allerdings inklusive einer Vor- und Nachbreite. Dies sind die Freiräume einer Buchstaben-Dickte vor und nach dem Buchstaben, um zu gewährleisten, dass die Buchstaben sich nicht berühren und man sie unabhängig voneinander wahrnehmen kann. Der Grafiker hat es eigentlich nicht so mit der Mathematik, da er sich ja mehr auf das Design konzentrieren möchte. Sie kann aber helfen.

Zum Beispiel: Eine Einheit, wie kg oder t oder mm wird von der davor stehenden Zahl durch ein Achtelgeviert abgetrennt, um zu verdeutlichen, dass Zahlenwert und Einheit zusammengehören. Jetzt kann man mit cmd-Alt-Shift-M nach der Zahl immer ein Achtelgeviert einfügen. Da der Layouter heutzutage kaum noch Texte selber schreibt sondern sie geliefert bekommt, stehen Zahl und Einheit meist ohne Leerraum zusammen. Erstellt man sich jetzt einen GREP-Stil, um das Achtelgeviert dazwischen automatisch einzufügen, dann muss man den Wert des Achtelgevierts wissen. Bei InDesign ist das einfach: 1.000 / 8 = 125. Ich muss also ein Zeichenformat mit einer Laufweite von 125 Einheiten definieren und dies im GREP-Stil einsetzen. Natürlich kann man den GREP-Stil auch so einstellen, dass es egal ist, wie der Text kommt und es immer richtig aussieht. Das würde jetzt aber etwas länger dauern. Erfährt man auch in meinem Kurs GREP-Stile 😉

Leerräume allgemein

Ein Leerraum entspricht etwa 35% vom Geviert. Das ist etwas mehr als 1/3 Geviert. Der Leerraum kann sich jedoch durch die Einstellungen in den Formatierungen verändern. Beim Blocksatz verändert er sich vielleicht zwischen 80 und 120% seiner ursprünglichen Breite, die er bei der Satzart Linksbündig gehab hätte. Wenn man ihn also durch einen GREP-Stil verringert, dann könnte bei engem Satz nicht mehr viel davon übrig bleiben. Generell sind Leerräume dazu da, dem Leser darzustellen, hier gehört etwas zusammen oder nicht.

Beispiel: In einer Briefbogen-Fensterzeile sollen die Passagen für Name, Straße und Ort deutlich von einander getrennt werden, damit sie besser unabhängig von einander getrennt wahrgenommen werden. Das erreicht man einerseits durch einen sog. Punkt zur Mitte (auf dem Mac mit Alt-Shift-9). Zusätzlich aber setzt man vor und nach dem Punkt ein Halbgeviert. Das ist eben etwas mehr als ein Leerraum. Bei Zahl und Einheit, wie bereits oben erwähnt, soll der kleiner Leerraum in Form eines Achtelgevierts zeigen, dass diese beiden Komponenten eben zusammengehören.

Übrigens: Wenn sich mancher schon gewundert hat, dass das Programm einen Leerraum am Ende einer Zeile bei rechtsbündigem Text nicht anzeigt, dann hat das seinen Grund. Ein Leerraum (egal welcher Art) wird am Zeilenende erst dann wieder angezeigt/berechnet, wenn auf ihn ein weiteres Zeichen folgt. Sonst wäre auch ein Blocksatz gar nicht möglich. Denn, wo soll er hin, der Leerraum nach dem letzten Wort der Zeile und vor dem ersten Wort der nächsten Zeile?

Wie man also sieht, regelt das Geviert nicht nur die Dickte eines jeden Zeichens, sondern es gibt uns auch die Möglichkeit, Zugehörigkeiten von Zeichen im Text für den Leser besser darzustellen und damit den Lesefluss zu erleichtern.

 

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